BGH: MIETZAHLUNGSPFLICHT BEI CORONABEDINGTER GESCHÄFTSSCHLIESSUNG

Der XII. Zivilsenat des BGH entscheid mit Urteil vom 12. Januar 2022 (Az. XII ZR 8/21) über die Verpflichtung des Gewerberaummieters zur Zahlung der Miete bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Schließung seines Einzelhandelsgeschäftes. Die klagende Vermieterin begehrte von der beklagten Mieterin Zahlung von Gewerberaummiete für den Monat April 2020. Das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten war aufgrund der „Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen“ des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie im Zeitraum vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 geschlossen.

Der Senat entschied zunächst, dass die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsrechte und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts nicht durch Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen sei.

Die Miete für den fraglichen Zeitraum sei jedoch nicht nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert gewesen, weil die auf der o. g. Allgemeinverfügung beruhende Betriebsschließung nicht zu einem Mangel des Mietgegenstandes in diesem Sinne geführt habe. Dies folge im Ergebnis daraus, dass eine pandemiebedingte Betriebsuntersagung ein Gebrauchshindernis darstelle, welches nicht auf Beschaffenheit, Zustand oder Lage der Mietsache beruhe, sondern allein das Verwendungsrisiko des Mieters betreffe. Eine Befreiung von der Mietzahlungspflicht könne auch nicht aus §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB abgeleitet werden, da jedenfalls die Klägerin auch während der Zeit der Betriebsschließung die von ihr gemäß § 535 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung erbracht hatte. Ob die Regelungen der §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB überhaupt auch nach Überlassung der Mietsache an den Mietern anwendbar seien, oder durch das mietrechtliche Gewährleistungsrecht verdrängt seien, ließ der Senat dabei offen.

Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beruhe, käme allerdings ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbiete sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich seien sämtliche Umstände des Einzelfalles. Zu berücksichtigen seien etwa die dem Mieter entstandenen Nachteile, wie der Umsatzrückgang bezogen auf das konkrete Mietobjekt, aber auch, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste der Geschäftsschließung zu vermeiden. So seien staatliche Leistungen, die nicht nur als Darlehen gewährt wurden, ebenso zu berücksichtigen wie etwaige Einstandspflichten einer Betriebsversicherung des Mieters. Gleichsam seien die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.